Sind wirklich Außerirdische am Werk? Das Phänomen der Kornkreise

Botschaften im Maisfeld



von Henning Dedekind


aus: Stuttgarter Nachrichten vom 12. September 2002




Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der © Stuttgarter Nachrichten

Rätselhafte Kreise: Nicht nur Mel Gibson darf als Farmer Graham Hess im neuesten US-Kassenschlager "Signs" über Muster im Maisfeld staunen - jüngere Fundorte liegen auch bei Sinsheim, Kupferzell oder Schwäbisch Hall. Sommernachtsfantasien arbeitswütiger Spaßvögel oder ein wissenschaftlich ernst zu nehmendes Phänomen?

Manch einen packt ob der ungeahnten Möglichkeiten gar die blanke Begeisterung. "E.T. hat geantwortet", verkündet Jay Goldner in seinem gleichnamigen Buch. Seit über 20 Jahren dokumentiert und analysiert der österreichische Kornkreisforscher die, wie er sagt, eindeutigen Zeichen einer höheren Intelligenz aus dem All.

Goldner zählt Linien, misst Winkel, vergleicht mit Computercodes. Und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen: "Glaubt, dass es hier oben Gutes gibt" soll sich so eine unlängst im englischen Winchester entdeckte Botschaft lesen. Für Goldner ist die Konsequenz glasklar: "Unser Weltbild gerät ins Wanken."

Die Formationen im Feld sind indes keine Erscheinung eines Science-Fiction-lüsternen Medienzeitalters. In Legenden der Indianer wie auch in europäischen Märchen finden sich Hinweise. 1880 berichtete die naturwissenschaftliche Zeitschrift "Nature" über Kornkreise in England. Erst seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird das Phänomen jedoch weltweit interdisziplinär untersucht.

Der US-Astronom Gerald Hawkins beispielsweise erklärt die teilweise auf der Fläche eines Fußballfeldes niedergedrückten Halme mathematisch-musikalisch. In den geometrisch dargestellten Zahlenverhältnissen entdeckte er die Musikwissenschaftlern bekannten perfekten Intervalle. Zu perfekt für einen Zufall - wenigstens die oft vertretene Theorie der natürlichen thermischen Quellwirbel könnte also ausgeschlossen werden. Eine vorsichtige Eingrenzung.

Andere gingen bereits einen Schritt weiter: In ihrem viel diskutierten Buch "Circular Evidence" stellten Pat Delgado und Colin Andrews eine Liste unerklärbarer Eigenschaften auf, aus denen sich die überirdische Herkunft der Muster klar ergeben sollte. Hinter den medial oft schnell wieder im Sand verlaufenen Untersuchungen wird von eingefleischten Ufologen eine Verschwörung der Wissenschaftswelt vermutet, die um den Einsturz ihres althergebrachten Wertegebäudes fürchtet.

Im Grunde herrscht immer noch Unklarheit über die Herkunft der Muster im Acker. Die fälschlicherweise als Kornkreise (vom englischen "Corn", also Mais) bezeichneten Formationen jedenfalls haben seit ihrem vermehrten Auftreten in den siebziger Jahren rasant an Popularität gewonnen. In Südengland wurde 1992 sogar ein Fälscherwettbewerb ausgetragen, bei welchem einige gut ausgerüstete Teams so manches Getreidefeld mit kunstvollen Schnörkeln verzierten - und den Glauben an heimliche Ufo-Landeplätze nachhaltig erschütterten.

Mit der ernsthaften Forschung, wie sie etwa vom englischen Centre for Crop Circle Studies oder von der deutschen Forschungsgesellschaft Kornkreise e.V. betrieben wird, hat der heute anlaufende Disney-Streifen freilich nichts zu tun. Vielmehr spielt die Story mit der menschlichen Urangst vor dem Unbekannten.

Autoren wie Jay Goldner wettern öffentlich gegen diese Verwässerung. Ein wenig zu Unrecht - lebt doch die Kornkreisforschung selbst vom Übersinnlichen: Die komplexen Muster im Feld bieten wie alles Unerklärliche eben auch eine willkommene Projektionsfläche für heimliche Wünsche - und sei es nur ein Gruß von E.T.

Weitere Informationen im Internet unter:

http://www.kornkreise.de
http://www.fgk.org
http://www.invisiblecircle.org
http://www.cropcircleconnector.com

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